Die Sache mit der Wut: woher kommt Wut und wie können wir mit ihr umgehen?

Wut ist ein intensives Gefühl, das jeder von uns schon einmal erlebt hat. Sie kann plötzlich und unerwartet auftauchen, ausgelöst durch verschiedene Situationen, wie Schreck, Missverständnisse, Ungerechtigkeiten oder persönliche Angriffe. Doch was steckt hinter dieser Emotion, und wie können wir lernen, mit ihr umzugehen?

Ich wurde zu diesem Beitrag inspiriert von Anita Griebls Blogparade zum Thema „Strategien um Wut abzubauen“.

Inhalt

Tine kommt in die Teeküche ihrer Abteilung und schon wieder steht da die Kaffeetasse von Lora in der Spüle. Tina ist sauer und spült die Tasse selbst.

Für Pit schlendert verträumt den Weg entlang. Plötzlich rempelt ihn ein Mann an, der gehetzt zur Bushaltestelle rennt. Pit erschrickt und schimpft dem Mann wütend hinterher.

Barbaras Chefin kommt herein und will unbedingt noch einen Projektbericht haben – jetzt doch bis morgen, statt bis nächste Woche. So ein Mist, sie hat doch heute eine Verabredung.

Vielleicht kennen Sie die ein oder andere Situation, die so manches mal Wut in uns aufsteigen lässt. Dabei fühlen wir uns gar nicht wohl und manchmal dauert es sehr lange, bis wir uns wieder beruhigen können.

Wut gehört also zum Leben dazu? Sind wir ihr wehrlos ausgeliefert oder haben wir es in der Hand, wie wir mit Wut umgehen?

Wie entsteht Wut?

1. Ein Bedürfnis bleibt unerfüllt

Intensive Emotionen wie Wut und Ärger sind ganz natürlich. In der gewaltfreien Kommunikation (GfK) nach Marshall Rosenberg wird diese Wut nicht als etwas Negatives betrachtet. Sie ist vielmehr ein Signal, das auf ein unerfülltes Bedürfnis hinweist.

Bedürfnisse sind ein zentraler Aspekt des menschlichen Lebens. Sie sind für unser Wohlbefinden und unsere Zufriedenheit wesentlich.

Bedürfnisse sind universell, das heißt, sie gelten für alle Menschen, unabhängig von Kultur, Geschlecht oder Alter etc.. Sie haben jedoch je nach Menschen einen unterschiedlichen Stellenwert und wechseln je nach Lebenslage und Situation.

Hinter unseren Gefühlen stehen erfüllte oder unerfüllte Bedürfnisse. Wenn unsere Bedürfnisse erfüllt sind, fühlen wir uns zufrieden und glücklich. Wenn sie unerfüllt sind, können wir unerwünschte Gefühle wie Wut, Frustration, Angst, Traurigkeit etc. erleben.

In unseren obigen Beispielen wird Tines Bedürfnis nach Ordnung nicht erfüllt, Pits Bedürfnis nach körperlicher Unversehrtheit und Barabas Bedürfnis nach Verlässlichkeit und Geselligkeit.

2. Bewertung einer Situation

Unsere Gefühle, einschließlich Wut, entstehen nicht einfach aus dem Nichts. Sie sind eng mit unseren Gedanken und Bewertungen verknüpft. Wenn wir eine Situation erleben, durchlaufen wir unbewusst einen schnellen Bewertungsprozess. Dieser Prozess basiert auf unseren Überzeugungen, Erfahrungen und Erwartungen.

Wir teilen die Situation zum Beispiel ein in: Bedrohlich, hilfreich, normal, unfair etc.. Erst durch die Bewertung der Situation (Auslöser) entstehen unsere Emotionen wie: Wut, Freude, Gelassenheit, Ärger, Angst u.ä..

Auslöser ist unsere Wahrnehmung: Wir sehen oder erleben ein Geschehen oder ein Verhalten.

Bedürfnisse: Die Erfüllung unserer Bedürfnisse ist oder scheint gefährdet.

Eigene Bewertung als Ursache: Wir bewerten daher die Lage z.B. als bedrohlich oder hinderlich – dann werden wir wütend oder ärgern uns.

Zu unseren Beispielen: Tine hat das Bedürfnis nach Ordnung und Struktur, dies Bedürfnis bleibt unerfüllt, weil sie die Tasse der Kollegin sieht; sie ärgert sich.

Pit hat das Bedürfnis nach körperlicher Unversehrtheit und vielleicht auch Ruhe; er wird in seiner Bedürfniserfüllung unterbrochen, er wird wütend.

Barbaras Bedürfnisse nach Verlässlichkeit und Geselligkeit werden nicht erfüllt, weil die Chefin sich nicht an die Absprache hält und Barbara nicht ihre Freunde treffen kann. Sie ist enttäuscht und wütend.

Sind wir unserer Wut ausgeliefert?

Unsere Wut entsteht, weil wir die jeweilige Situation auf bestimmte Weise bewerten. Das bedeutet gleichzeitig, WIR entscheiden, wie wir eine Situation bewerten. Die Verantwortung liegt demnach bei uns und nicht beim Auslöser, also der handelnden Person oder dem Geschehen.

Es erscheint leicht, anderen Menschen die Schuld für unsere Gefühle aufzubürden. Unsere Gefühle sind aber selbstgemacht. Wir entscheiden, welche Bedeutung wir dem Geschehen oder Verhalten geben und wie wir uns damit fühlen.

Wut und Ärger sind sogenannte Schutzgefühle, die Kerngefühle sind oft etwas anderes, nämlich Angst, Trauer, Hilflosigkeit. Wenn wir dies begreifen, können wir unsere eigentlichen Bedürfnisse erkennen und entsprechend reagieren.

Zu den Beispielen: Tine ist vielleicht nicht nur wütend, sondern vor allem traurig, weil die Absprache nicht funktioniert. Pit hat Angst, zu Boden zu fallen und Barbara ist vor allem traurig.

Alles eine Frage der Haltung?

Wut ist nicht nur eine emotionale Reaktion, sie wird auch stark von unserer inneren Haltung und unseren Einstellungen beeinflusst. Unsere Haltung gegenüber uns selbst, anderen und der Welt um uns herum spielt eine entscheidende Rolle dabei, wie Wut entsteht, wie wir sie erleben und ausdrücken.

Unsere Überzeugungen und Einstellungen formen unsere Wahrnehmung der Welt und beeinflussen, wie wir Situationen bewerten. Wenn wir beispielsweise die Überzeugung haben, dass wir immer auf der Hut sein sollten, um fair behandelt zu werden, werden wir möglicherweise eine Situation schneller als ungerecht bewerten als ein Mensch, der davon ausgeht, gerecht behandelt zu werden.

Gleiches gilt, wenn wir uns immer wieder in die Opferrolle begeben und orientierungslos in einer Situation verharren, anstatt Verantwortung für unsere Bewertungen und Gefühle zu übernehmen und aktiv etwas zu verändern.

Unsere unerfüllten Erwartungen an uns selbst und andere können ebenfalls eine Quelle von Wut sein. Hohe oder unrealistische Erwartungen können zu Enttäuschungen und Unzufriedenheit führen. Wenn wir zum Beispiel erwarten, dass andere unsere Bedürfnisse ohne ausdrückliche Kommunikation erkennen und erfüllen, kann dies zu Frustration und Wut führen, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden.

Neulich sagte eine Klientin zu mir, es sei ihr gutes Recht, wütend zu sein. Interessante Sichtweise. Das, was ihre Wut ausgelöst hat, war tatsächlich eine sehr herausfordernde Situation. Dennoch ist es ihre Entscheidung, ob sie wütend sein möchte oder ob sie die Situation akzeptiert und ins Handeln kommt.

Es ist normal und in Ordnung, Wut zu spüren. Gleichzeitig ist es die eigene Entscheidung und Verantwortung, die Wut zu- oder loszulassen.

Wie können wir mit Wut umgehen?

1. Tief durchatmen

Bewusste Atmung kann helfen unerwünschte Emotionen zu beruhigen und die Gedanken zu klären. Wo spüren wir die Wut und Anspannung körperlich? Vielleicht braucht die Wut auch einen tiefen Seufzer oder einen Aufschrei? Alles ist okay, wir sollten nur nicht darin verharren.

Es kann hilfreich sein, sich in stressigen Situationen zunächst zurückzuziehen mit dem Hinweis, erst etwas Abstand zu brauchen. Vielleicht gehen wir „eine Runde um den Block“, um unsere Anspannung abzubauen.

2. Selbstempathie schenken

Wir können uns einen Moment Zeit nehmen, um unsere Wut zu spüren und anzuerkennen. Es ist in Ordnung, wütend zu sein. Selbstempathie ist wichtig, um die Wut und auch die Gefühle und Bedürfnisse anzunehmen. Wir können vielleicht erkennen, dass wir gar nicht persönlich gemeint waren, oder auch wahrnehmen, dass unsere Grenze verletzt wurde, was nicht in Ordnung ist.

Selbstempathie bedeutet, sich selbst mit Verständnis, Mitgefühl und Akzeptanz zu begegnen, besonders in schwierigen Momenten oder wenn unangenehme Gefühle wie Wut, Traurigkeit oder Frustration aufkommen. Es handelt sich um einen inneren Prozess der Achtsamkeit gegenüber den eigenen Emotionen und Bedürfnissen.

3. Gefühle benennen

Wir fühlen uns in uns ein. Was geht in uns vor?  Was steht hinter der Wut, spüren wir noch andere Gefühle wie Angst, Hilflosigkeit oder Traurigkeit? Wir dürfen unsere Gefühle benennen.

4. Bedürfnisse wahrnehmen

Wir überlegen, was gerade geschehen ist und fragen uns, welches (unerfüllte) Bedürfnis hinter dieser Wut stecken könnte. Was ist uns gerade jetzt wichtig. Das hilft uns zu erkennen, was der Auslöser war für unsere Bewertung, die letztlich die Wut hervorgerufen hat.

5. Empathie für andere

Wir sollen unsere Wut verarbeiten, indem wir anderen gegenüber empathisch sind? Pooh, das scheint viel verlangt. Wenn wir uns empathisch in den/die andere einfühlen, versuchen wir die Perspektive des/der anderen einzunehmen und zu verstehen. Wir müssen deswegen aber nicht einverstanden sein.

Beispiel oben: Pit kann erkennen, der Mann war so schnell und ruppig unterwegs, weil er den Bus erwischen wollte. Er war unachtsam, das war nicht in Ordnung; er hat ihn nicht wissentlich stören oder verletzen wollen.

Oder Barbara erkennt, dass die Chefin unter enormen Druck steht, weil ein wichtiger Kunde den Projektbericht fordert.

Auch eine solche Erkenntnis kann helfen, unsere Wut zu regulieren.

6. Selbstreflexion

Nach Ende einer solchen herausfordernden Situation mit Wut und Frust lohnt es sich, sich Zeit für Selbstreflexion zu nehmen. Selbstreflexion hilft uns, unsere emotionalen Reaktionen besser einzuordnen und zu verstehen.

Wir können uns fragen, was wir aus der Situation lernen können, um zukünftig besser mit ähnlichen Gefühlen umgehen zu können.

Vielleicht hilft uns ein Gespräch mit einem vertrauten Menschen oder Tagebuchschreiben.  

Fazit

Wut ist eine universelle Emotion, die durch unerfüllte Bedürfnisse oder bestimmte Bewertungen von Situationen ausgelöst wird. Sie signalisiert uns, dass etwas in unserem Leben nicht stimmt und erfordert unsere Aufmerksamkeit.

Der Schlüssel zum Umgang mit Wut liegt in der Selbstreflexion und der bewussten Bewertung von Situationen. Durch Techniken wie bewusstes Atmen, Selbstempathie, das Benennen von Gefühlen und das Wahrnehmen von Bedürfnissen können wir unsere Wut besser verstehen und regulieren.

Empathie für andere und eine offene Haltung gegenüber unseren eigenen Reaktionen helfen uns, Wut konstruktiv zu bewältigen und zu einem ausgeglichenen emotionalen Zustand zurückzufinden.

Es ist normal und in Ordnung, Wut zu spüren. Gleichzeitig ist es die eigene Entscheidung und Verantwortung, die Wut zu- oder loszulassen.

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Ulla Sieburg-Gräff

*Coachin für alle, die ihre Kommunikation erneuern und ihre Konflikte lösen möchten sowie für Menschen mit schwierigen Entscheidungen.
*Mediatorin für alle, die ihre Konflikte lösen möchten.

2 Gedanken zu „Die Sache mit der Wut: woher kommt Wut und wie können wir mit ihr umgehen?“

  1. Herzlichen Dank liebe Ulla, für diesen wunderbaren Beitrag und deine Teilnahme an meiner Blogparade.
    Es ist so wichtig über dieses Thema zu reden und Informationen weiter zu geben.
    Ich wünsche mir, dass wir viele Strategien und Sichtweisen zusammentragen, damit andere Personen diese anwenden können.

    Herzliche Grüße von Anita ❤️🙋🏼‍♀️

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