In einem meiner letzten Blogartikeln kam ich zu dem Schluss: Lebensmitte ist das, was man daraus macht – also kein Grund, direkt an eine Krise zu denken.
Ich gebe zu, eine solche Haltung ist im ersten Moment vielleicht gar nicht so einfach, wenn die ersten Zipperlein uns daran erinnern, dass wir vermutlich schon mehr Leben hinter uns haben, als vor uns und wir nachts nicht schlafen könne, weil das Gedanken- und Gefühlskarussell uns wachhält und wir das Gefühl haben irgendwie festzustecken.
Wir kennen es aus allen Lebensbereichen: die Menschen gehen unterschiedlich mit ihren Herausforderungen um. Die eine verfällt durch den Jobverlust in Trübsal und beklagt, zu alt für einen neuen Job zu sein, die andere nutzt die Gelegenheit des „Schicksals“ und geht die Phase der Neuorientierung offen und aktiv an.
Der eine braucht nach einem Schicksalsschlag länger, um wieder im Leben anzukommen, der andere sagt sich „Jetzt erst recht“.
Woher kommen diese Unterschiede? Es geht um die innere Widerstandskraft, die auch beeinflusst wird durch die Lebenseinstellung. Das Zauberwort ist Resilienz.
Inhalt
Resilienz
Unter Resilienz versteht man Anpassungsfähigkeit oder innere Widerstandskraft. Menschen, die aus herausfordernden Lebensumständen oder Krisen gesund oder sogar gestärkt hervorgehen, bezeichnet man als resilient.
Diese Fähigkeit erlaubt es Menschen, trotz schwierigster Umstände und ungewöhnlich starker Belastungen ihre Ressourcen, Potentiale, Energien oder Kräfte zu aktivieren und somit die Herausforderung zu meistern.
Resilienz beschreibt die Befähigung, mit einem Problem umzugehen bzw. ein Problem zu lösen und dabei seelisch in Balance zu bleiben.
Resilienz ist erlernbar
Es handelt sich um keine angeborene Kompetenz. Viele Menschen entwickeln diese Befähigung aber bereits in der Kindheit. Sie erlebten Sicherheit und Vertrauen trotz schwieriger Situationen und konnten so innere Stärke entwickeln.
Resiliente Menschen sind sich dieser „Superkraft“ oft gar nicht bewußt. Sie sind es ganz selbstverständlich.
Auch als Erwachsene können wir diese innere Kraft erlernen bzw. stärken, denn in Grundzügen besitzt jede/r aufgrund vielfältiger Erfahrungen eine gewisse Resilienz.
Der Umgang mit Stress
Eine herausfordernde Situation bedeutet Stress. Wir alle wissen, es gibt guten Stress, der uns fordert und antreibt und schlechten Stress, der uns überfordert und blockiert. Grundsätzlich ist Stress gut – wir kennen vermutlich alle das oft erwähnte Bild vom Treffen mit einem Säbelzahntiger.
Heute haben wir andere stressige Momente und oftmals befinden wir uns im Dauerstress-Modus. Dass das nicht gesund ist, ist uns ebenso bekannt.
Und jetzt? Jetzt kommt die Resilienz ins Spiel. Wie gehen wir mit unserem täglichen Stress um, und was bedeutet das für besondere Herausforderungen?
Resiliente Menschen verfügen über mentale Stärke und können persönliche Strategien einsetzen, um Probleme zu bewältigen. Mit ihrer Art der inneren Einstellung haben sie dadurch eine Widerstandskraft, die es ihnen erlaubt, schwierige Situationen stabil zu überstehen.
Modell der 7 Säulen der Resilienz
Ich will Ihnen hier das Modell der 7 Säulen der Resilienz nach Ursula Nuber kurz skizzieren. Es ist ein Modell von vielen, die sich in den Grundzügen ähneln.
Das Modell erklärt, worauf Resilienz beruht; wie demnach die Säulen oder Faktoren auf unsere Widerstandskraft wirken. Es gibt uns Anhaltspunkte, wie wir unsere Resilienz trainieren und stärken können.
Trainieren und optimieren wir diese Säulen, so stärken wir unser persönliches Schutzschild, also unsere Resilienz. Schauen wir einmal genauer hin.
1. Optimismus
Optimistische Menschen haben einen zuversichtlichen Blick auf die Geschehnisse bzw. die zukünftige Entwicklung. Dabei hilft es, sich zu vergegenwärtigen, dass Krisen zeitlich begrenzt sind und die Zuversicht, sie bewältigt werden können.
Um den eigenen Optimismus zu trainieren hilft es, sich ins Bewusstsein zu rufen, dass man auch früher schon Probleme gemeistert hat. Dieses Wissen ist eine wertvolle Ressource. Menschen mit einer optimistischen Lebenseinstellung sind oft motivierter und haben ein ausgeprägteres Durchhaltevermögen, da sie sich einen guten Ausgang der Situation vorstellen können.
Ein unrealistischer Optimismus durch die rosarote Brille kann uns zwar kurzfristig beflügeln und ein bisschen Träumen darf auch sein, aber zielführend ist vor allem der hier beschriebene gesunde Optimismus.
2. Akzeptanz
Die Akzeptanz ist ein wichtiger Aspekt. Es bedeutet das anzunehmen, was nun einmal da ist und gerade nicht von uns zu verändern ist. Einen Kampf gegen eine unveränderbare Situation raubt viel Kraft und ist letzlich sinnlos.
3. Handlungsfähigkeit
Dieser Faktor heißt auch häufig „Opferrolle verlassen“. Als Opfer sind wir handlungsunfähig. Aber nur Bewegung im Sinne von selbst aktiv werden gibt uns Gestaltungsfreiraum in der Situation bzw. im Leben.
4. Verantwortung
Diese Säule passt zu der „die Opferrolle zu verlassen“, denn es geht darum, mit Eigenverantwortung durch die herausfordernde Zeit zu gehen. Eine Frage nach der Schuld (bei uns oder anderen) für die Lage wird uns kein Stück aus der Situation bringen.
Verantwortung übernehmen heißt aktiv und bewusst zu handeln und die Konsequenzen aus dem eigenen Tun, unseren Gedanken und unseren Gefühlen zu tragen. Wir selbst bestimmen, wie wir mit Geschehnissen umgehen und wie wir uns damit fühlen.
5. Lösungsorientierung
Optimismus, Akzeptanz, Handlungsfähigkeit und Verantwortung weisen die Richtung weg vom Problem und öffnen den Blick hin zu möglichen Lösungen.
Es ist hilfreich, sich auf den gewünschten Zielzustand zu konzentrieren und daraus eine Stratgie zum Vorgehen zu entwickeln.
6. Netzwerkpflege
Soziale Unterstützung hilft und schützt uns, daher ist es wichtig unsere Kontakte und Freundschaften – also das eigene persönliche Netzwerk, auszubauen und zu bewahren.
7. Zukunftsplanung
Jede sollte eine Vorstellung oder eine Vision von der eigenen Zukunft haben. Das nutzt uns zur Orientierung im Alltag. Achtsam im Alltag leben und Zukunft soweit planen, wie es uns möglich ist.
Was bedeutet Resilienz in der Lebensmitte?
- Wir können optimistisch in die Zukunft gucken. Wir wissen, die herausfordernden Zeiten in der Lebensmitte, zum Beispiel die Wechseljahresbeschwerden, werden vorübergehen. Es wird ein „danach“ geben.
- Wir dürfen akzeptieren, dass die Lebensmitte nun einmal da ist. Das können wir nicht ändern. Wechseljahre gehören zum Frausein dazu.
- Wir brauchen unsere Handlungsfähigkeit, um die Situation aktiv beeinflussen zu können. In der Opferrolle verharrend (ich bin halt ein Opfer der Wechseljahre) wird uns keine Veränderung bringen. Wir dürfen überlegen, was uns in der Situation guttut und hilft, die Lebensmitte nach unseren Vorstellungen zu gestalten.
- Wir tragen die Verantwortung dafür, aus der Situation zu kommen. Und das Beste daran ist, wir sind die Expertinnen für unser Leben und brauchen diese Verantwortung daher nicht zu scheuen – alt genug sind wir dafür auch.
- Raus aus der Problemtrance hin zur Lösungssuche. Wie können wir mit den Gegebenheiten der Lebensmitte mit all ihren körperlichen Auswirkungen, dem Gefühlschaos und den hinderlichen Gedanken trotzdem eine Alternative oder eine Verbesserung erreichen- das ist Lösungsorientierung.
- Ein stabiles Umfeld wird uns helfen, in der Lebensmitte Halt, Vertrauen und Orientierung zu haben. Gemeinsames Lachen, Weinen und Unterstützen sind das Ergebnis einer aktiven Netzwerkpflege.
9 Tipps, wie Sie aktiv Ihre Resilienz in der Lebensmitte stärken können
Ein paar Tipps, wie Sie es schaffen können, gelassen und widerstandsfähig durch die Lebensmitte zu kommen.
Was hat Ihnen in früher in schwierigen Situationen geholfen?
Reflektieren Sie zunächst einmal, wie Sie bisher mit herausfordernden Situationen umgegangen sind. Was können Sie daraus für sich ableiten. Welche Strategien haben für Sie nicht funktioniert und vor allem welche haben gut funktioniert. Was sagt Ihnen das für Ihre heutige Situation?
Annehmen was ist; ändern, was zu ändern ist
Es wird Ihnen besser gehen, wenn Sie das Unvermeidliche annehmen. Das heißt nicht, dass Sie darunter leiden müssen – im Gegenteil: holen Sie sich Hilfe, sprechen Sie ggfs. mit einem Facharzt/einer Fachärztin, probieren Sie aus, welche Ernährung Ihnen gut bekommt, vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine neue Sportart oder einen Yoga- Kurs.
Die Situation annehmen heißt nicht, zu erstarren, sondern vielmehr ist es der Aufruf: mach das Beste daraus. Auch kleinste Veränderungen können entscheidende Auswirkungen haben.
Setzen Sie sich realistische Ziele
Bleiben Sie realistisch, akzeptieren Sie Ihre Grenzen. Mit zunehmendem Alter sind wir nicht mehr so belastbar. Das heißt nicht, dass wir den Marathon nicht mehr schaffen, sondern, dass wir es vielleicht langsamer angehen und mehr Zeit fürs Training einplanen müssen.
Der positive Blick nach vorn hilft, mit Mut die Lösung anzugehen
Konzentrieren Sie sich nicht auf das Problem, sondern schauen Sie vielmehr auf die Lösung. Die Wechseljahre sind nun einmal da. Darüber zu grübeln, wird Ihnen vermutlich nicht helfen.
Führen Sie sich gerne bildlich vor Augen, wie es sein wird, wenn Sie Ihre Herausforderung gemeistert haben. Nehmen Sie sich gerne Zeit dafür z.B. mit Hilfe einer Meditation.
Schauen Sie doch auch einmal darauf, was gut an Ihrer Situation in der Lebensmitte oder in den Wechseljahren ist; zum Beispiel: kein Stress bezüglich Familienplanung, endlich weniger Frieren , mehr persönliche Freiheiten, wenn die Kinder das Haus verlassen -Welche Vorteile Ihrer Situation fallen Ihnen aus diesem Blickwinkel ein?
Soziale Kontakte pflegen
Wir Menschen sind soziale Wesen. Sprechen Sie mit Freunden und Familie über Ihre Ängste, Gefühle aber auch Ihre Träume. Das kann sehr befreiend wirken.
Verbinden Sie sich mit den Menschen, die Ihnen guttun und die Sie unterstützen. Schöpfen Sie Kraft aus dem Zusammensein mit anderen.
Was haben Sie noch vor in Ihrer zweiten Lebenshälfte?
Schreiben Sie eine sogenannte „Löffel-Liste“: was möchten Sie gerne noch machen, lernen, erleben bevor Sie „den Löffel abgeben“ müssen. Mit dem Fahrrad über die Alpen, eine Woche allein auf einer einsamen Hütte, chinesisch lernen, ein Buch schreiben – was sind Ihre Träume auf der Liste?
Handlungsfähig bleiben in schwierigen Situationen
Überlegen Sie sich vorher, was Sie machen könnten, wenn ein Problem auf Sie zuzurollen droht. Was könnte Ihre Strategie sein?
- Wer unterstützt Sie
- Wie schaffen Sie es, sich einen Ruhepunkt zu schaffen
- Wie können Sie Ihre Ziele weiter im Blick behalten
- Entwickeln Sie eigene Strategien für Ihren Umgang mit Herausforderungen oder wenn Sie „feststecken“.
Kennen sie ALI ? Atmen-Lächeln-Innehalten! Holen Sie in einer akuten Situation erst mal tief Luft. Setzen Sie ein Lächeln auf – das mildert den Schreck. Halten Sie inne und denken Sie nach.
Manchmal helfen diese einfachen Dinge, um handlungsfähig zu bleiben.
Verantwortung übernehmen
Wenn Sie diese Aspekte beherzigen, übernehmen Sie Verantwortung für Ihr Leben. Auch wenn Sie sich vielleicht nicht immer bewusst sind, aber wir tragen die Verantwortung nicht nur dafür, was wir tun, sondern auch dafür, was wir fühlen und denken. Sie sind dafür verantwortlich für Ihre Bedürfnisse einzustehen.
Andere Menschen können vielleicht ahnen, was wir brauchen, dafür sorgen müssen aber wir selbst. Ein Opfergefühl lähmt; die Schuldfrage führt selten zum Glück. Eigenverantwortung aber stärkt Sie in Ihrem Handeln; vertrauen Sie sich selbst.
Selbstfürsorge
Ein ganz wichtiger Punkt ist auch die Selbstfürsorge: „Nichts bringt uns auf unserem Weg besser voran als eine Pause“ (Elisabeth Browning). Dieser Spruch erfreut mich jeden Tag an meiner Kaffeemaschine.
Finden Sie heraus, was Ihnen hilft zu entspannen, sich zu besinnen und Sie zu erfreuen. Das kann Ihr Stresslevel deutlich senken.
Humor hilft - Inspirationen zum Schluss
Die Rheinländer gelten oft als Frohnaturen. Kennen Sie das Kölsche Grundgesetz? Lassen Sie sich auf humorvolle Art inspirieren, um mit den täglichen Herausforderungen umzugehen ;-).
Auch in Märchen wie Hans im Glück oder in Geschichten wie die von Pippi Langstrumpf lernen wir Menschen kennen, die Dank ihrer inneren Einstellung Herausforderungen des Lebens annehmen und meistern.
Ulla Sieburg-Gräff
*Coachin für Frauen, die ihre Lebensmitte zu ihren besten Jahren machen wollen.
*Mediatorin für alle, die ihre Konflikte lösen möchten, etwa bei Streitigkeiten bezüglich Haustieren.
2 Gedanken zu „Mit Resilienz gelassen und stark in der Mitte des Lebens“