Perfektionismus anerkennen und überwinden: gut ist gut genug!

Fünfmal habe ich nun schon versucht, diesen Blogartikel anzufangen. Viermal habe die Zeilen wieder gelöscht. Der Einstieg will mir heute nicht wirklich gelingen. Stopp! Ich frage mich, ist das schon die berüchtigte Perfektionismusfalle? Bin ich mitten reingetappt?

Wann bin ich zu Recht unzufrieden mit meiner Leistung, wann fordert und fördert mich mein Perfektionismus und ab wann schadet mir mein Perfektionismus? Diesen Fragen wollen wir im Folgenden nachgehen.

Inhalt

Perfektionismus – was ist das?

Perfektionismus ist ein Streben nach Fehlerlosigkeit, höchster Qualität und das stete Erreichen (selbstgesetzter) Maßstäbe.

Diese Standards können dabei auch von außen kommen, wie z.B. Arbeitsanforderungen, Erwartungen der Gesellschaft. Meist kommen sie jedoch von innen heraus, wie z.B. aufgrund von Glaubenssätzen wie: besser sein, als der Kollege, um Anerkennung zu erhalten; kein Krümel auf dem Küchenboden, weil man das so macht.

Der Perfektionismus kann sich auf alle Lebensbereiche beziehen oder nur auf einzelne: Z.B. Beruf, Schule, Haushalt, Sport.

Perfektionismus wird gesellschaftlich anerkannt, wird oft bewundert und gilt für viele Menschen als erstrebenswert.

Was ist das Gute an Perfektionismus?

Menschen versuchen perfekt zu sein, weil sie darin -bewusst oder unbewusst – Vorteile sehen. Häufig erfahren perfektionistische Menschen Anerkennung, für ihre guten Leistungen, sie gelten als gewissenhaft und verlässlich. Perfektionistische Menschen sind sehr leistungsorientiert und streben nach Qualität und Verbesserungen. Perfektionismus kann also Höchstleistungen aus Menschen hervorbringen oder motivieren bei anspruchsvollen Aufgaben durchzuhalten.

Vielen Perfektionisten gibt ihr eigenes Verhalten Sicherheit und das Gefühl der Kontrolle. Die Angst zu versagen oder nicht anerkannt zu werden, soll damit händelbar werden.

Perfektionismusfalle

Das Streben nach Perfektion und Exzellenz, keine Fehler zu machen und stets das Optimum zu erreichen, der unbändige Wunsch alles ins Detail zu optimieren, all das setzt den Menschen unter Druck. Dieser Wunsch, alles bis zur Vollkommenheit zu erledigen führt unweigerlich zu Stress. „Bin ich wirklich gut genug“ ist eine Frage, die sich Perfektionisten all zu oft stellen.

Es entsteht ein Teufelskreis aus höchsten Erwartungen an sich selbst, denn der Wunsch immer perfekt zu sein, kann nicht dauerhaft erfüllt werden. Das nagt am Selbstbewusstsein. Es kommt zu Versagensängsten, Frustration sowie dem Gefühl ständiger Unzulänglichkeit oder auch zu Prokrastination (extremes Aufschieben), einer Art „Lähmung“ oder Starre, die daran hindert, die Aufgabe zu beginnen.

Perfektionismus, der jemanden antreibt, sich zu verbessern ist gut. Zu negativen Effekten kommt es, wenn der Perfektionismus den Menschen vor sich hertreibt: schneller, höher, weiter, besser etc. und somit ein Leidensdruck entsteht.

Der Versuch perfekt zu sein, gelingt nicht, was dazu führt, dass der Mensch weiter unrealistische Erwartungen hat, es noch besser bzw. perfekter zu machen oder im Gegenteil: gar nichts mehr erledigt, um keine Fehler zu machen. Dann wird der Perfektionismus tatsächlich zur Falle, denn Perfektionismus ist unerreichbar.

Kann es den perfekten Perfektionismus geben?

Es besteht die Gefahr, dass ein perfektionistischer Mensch niemals wirklich zufrieden ist mit seiner eigenen Leistung. Absolute Vollkommenheit ist nicht möglich und eine Illusion, denn wir Menschen haben Stärken und Schwächen und dann kommt auch noch das Leben „dazwischen“.

Es kann passieren, dass viel Zeit und Energie für die Perfektionierung eines Projektes, Auftrags oder eines Ziels aufgewendet wird, ohne dass man jemals fertig wird.

Perfektionismus ist ein Antrieb für Spitzenleistungen, kann aber auch zu Stress, Unzufriedenheit und Selbstzweifel führen.

Perfekt ist möglich; das Streben nach Exzellenz ist nichts Schlechtes.  Wann aber ist gut, gut genug? Wenn wir mit dem Ergebnis absolut zufrieden sind, dann ist es perfekt für uns!

Gut ist gut genug

Wir dürfen akzeptieren, dass Perfektion nicht (immer) nötig ist. Gut ist gut genug. Perfekte Arbeiten oder Ergebnisse sind nicht dauernd gefordert.

Das bedeutet nicht, dass wir nun alle Standards senken und uns mit Mittelmäßigkeit abfinden. Es geht vielmehr um realistische Ziele und ein Abwägen von Aufwand und Erfolg, von Einsatz und Zufriedenheit.

Anregungen zum Überwinden des ungesunden Perfektionismus

1. Auslöser finden

Perfektionismus kann alle Bereiche betreffen. Es kann sein, dass Menschen nicht generell perfektionistisch agieren, sondern nur in einem bestimmten Umfeld, bei bestimmten Aufgaben oder bestimmten Personen gegenüber.

Durch Selbstreflexion kann man herausfinden, ob es derartige bestimmte Auslöser gibt.

Dies zu erkunden ist vor allem deshalb hilfreich, weil nicht nur Perfektionismus-Trigger gefunden werden, sondern auch Gegebenheiten, die davon nicht berührt werden. Hieraus kann man persönliche Ressourcen und Strategien schöpfen, unter welchen Umständen oder wie es auch ohne Perfektion gehen kann.

2. Realistische Erwartungen setzen und die Kunst der Balance

Wir alle haben nur begrenzte Kapazitäten an Zeit, Energie und auch Fähigkeiten, die zu beachten und in eine realistische Zielvorstellung zu integrieren sind.

Die Ziele sollten realisierbar sein und klar definiert werden. Realistisch ist dabei nicht gleichbedeutend mit mittelmäßig. Es ist durchaus sinnvoll, nach hohen Zielen zu streben, aber eben im Einklang mit den (persönlichen) Ressourcen. Dies kann ein Balanceakt sein, wenn man droht, wieder in den Perfektionismus abzudriften.

Mit Hilfe SMART formulierter Ziele kann dies gelingen. Der Fokus liegt auf den wesentlichen Aspekten und der effizienten und terminierten Umsetzung. Zuerst werden die Ziele definiert und bei deren Erreichen ist gut dann auch gut genug.

3. Selbstreflexion und Fehler akzeptieren

Im Perfektionismus ist kein Raum für Fehler. Wir alle wissen aber, auch wenn es manchmal schmerzlich ist: Fehler gehören zum Leben dazu und aus Fehlern kann man lernen.

In einer Selbstreflexion kann man sich mit den eigenen Stärken und Schwächen auseinandersetzen. Ein Ergebnis daraus könnte sein, den eigenen Perfektionismus zu erkennen und anzuerkennen. Gleichzeitig muss man akzeptieren, das wir alle Fehler machen.

Perfektionismus ist eine Einstellung oder eine Haltung, die bestimmt, wie man Situationen, Ergebnisse etc. beurteilt und welche Schlüsse man aus der Wahrnehmung zieht: Gut ist gut genug? Fehler oder Lerngeschenk?

Diese Erkenntnis wird ein Aufbrechen der unerwünschten Verhaltensweisen des Perfektionismus ermöglichen.

4. Selbstakzeptanz und Achtsamkeit

Die Selbstakzeptanz (ich bin richtig, wie ich bin) unterstützt die Überwindung des Perfektionismus entscheidend. Dinge, Gefühle, Geschehnisse etc. achtsam wahrzunehmen und anzunehmen, bedeutet, Unperfektes hinzunehmen und sich von der Angst des Versagens zu lösen. Erfolg und Zufriedenheit hängen dann nicht länger vom Perfektionismus ab.

5. Weniger ist mehr

Ungesunder Perfektionismus kann die Lebensqualität sehr einschränken. Perfektion ist oft gar nicht nötig, dann reicht die pragmatische einfache Lösung. Weniger ist dann mehr, weil wir nicht unter Druck geraten, unsere Energie und Kraft schonen. Weniger ist mehr bedeutet auch bewusst zu entscheiden, wie perfekt etwas realistisch betrachtet wirklich sein muss und den Fokus auf das Wesentliche zu lenken.

Fazit: Gleichgewicht zwischen Perfektionismus und „Gut ist gut genug“

Perfektionismus hat gute und schlechte Seiten. Das Streben nach qualitativ hochwertiger Leistung kann motivierend und förderlich sein, wenn aber ein Leidensdruck entsteht, ist es Zeit, etwas zu verändern.

Wir dürfen auf das Gleichgewicht achten zwischen dem Erfolgsstreben, dem Machbaren, der Selbstakzeptanz und der eigenen Fehlertoleranz.

„Gut ist gut genug“ und „weniger ist mehr“ sind Aussagen, die Orientierungshilfe geben, wenn wir eine Veränderung anstreben. „Better done than perfect“: erledigt ist besser als perfektionieren.

Anerkennung und Überwindung des Perfektionismus erfordert Geduld, Übung und die bewusste Entscheidung ungesunden Perfektionismus loszulassen.

„Better done than perfect“: erledigt ist besser als (stets) perfektionieren.

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Bitte beachten: Zwanghafter Perfektionsimus gehört in therapeutische Hände!

Welche Erfahrungen haben Sie mit Perfektionismus gemacht? Finden Sie „Ihren“ Grad des Perfektionismus manchmal hinderlich? Schreiben Sie mir gerne – ich kann Sie unterstützen bei Ihrem Weg aus der Perfektionismusfalle.

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Ulla Sieburg-Gräff

*Coachin für alle, die ihre Kommunikation erneuern und ihre Streitigkeiten beenden möchten sowie für Menschen mit schwierigen Entscheidungen.
*Mediatorin für alle, die ihre Konflikte lösen möchten.

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