Unzufrieden oder zufrieden – haben wir die Wahl?

Ich aß mit Freunden in einem Restaurant zu Abend. Anschließend bestellte ich mir einen Espresso, den ich bei solchen Gelegenheiten sehr gerne trinke. Fragend sah die Bedienung meine Begleitungen an, ein Freund antwortete: „Für mich nichts, danke. Ich bin zufrieden.“ Meine spontane Reaktion war: ich bin auch zufrieden und nehme trotzdem sehr gerne noch einen Espresso.

Was bedeutet „zufrieden sein“ und wann bin ich unzufrieden? Kann ich zufrieden sein und trotzdem einen Espresso haben wollen?

Kann ich mich für Zufriedenheit (oder Unzufriedenheit) entscheiden oder bin ich Leidtragende der Umstände ohne Kontrolle und trage ich mit meiner Einstellung zur Zufriedenheit anderer Menschen bei? Viele Fragen zu einem spannenden Thema.

Meine Blogkollegin Korina Dielschneider (Mid-Life-Coaching-Expertin) hat in ihrer Blogparade dazu aufgerufen, sich Gedanken zu machen rund um das Thema Zufriedenheit. „Es geht darum, wie sich die eigene Zufriedenheit (oder Unzufriedenheit) auf das unmittelbare Umfeld und das Wirken in der Welt auswirkt.“ Ich finde dies eine interessante Perspektive, denn oft haben wir wohl eher den Blick darauf, dass unser Umfeld bzw. die Umstände auf unsere (Un-)Zufriedenheit wirken.

Inhalt

Was ist Zufriedenheit?

Worüber sprechen wir hier eigentlich? Was ist Zufriedenheit, was bedeutet es, zufrieden oder unzufrieden zu sein?

Zufriedenheit ist eine subjektive und individuelle Wahrnehmung bzw. Erfahrung des Wohlbehagens und der Bedürfniserfüllung. Ich verbinde damit eine Art inneren Frieden, den ich mir wünsche. Es handelt sich in jedem Fall um ein positives Gefühl.

Bedeutet zufrieden sein, glücklich zu sein? Nein, für mich ist das nicht das Gleiche. Für mich bedeutet zufrieden zu sein, dass ich es gut finde, so wie es gerade ist. Glücklich sein liegt für mich noch eine Stufe höher. Damit verbinde ich auch eine Fröhlichkeit und Lockerheit aber gleichzeitig auch eine gewisse Unbeständigkeit. Glück ist mehr eine Momentsache. Zufriedenheit ist in meinen Augen etwas stabileres und in gewisser Weise eine Haltung oder Lebenseinstellung.

Unzufriedenheit äußert sich in Unbehagen, Unwohlsein und Missmut. Unzufriedene Menschen sehen sich zuweilen als Opfer widriger Umstände ohne eigenen Handlungsspielraum.

Unzufriedenheit ist ebenso wie Zufriedenheit ein natürlicher Lebensumstand, den jeder schon erlebt hat und vermutlich noch erleben wird. Das Leben besteht aus Höhen und Tiefen und es ist individuell, wie wir uns damit fühlen und das ist in Ordnung so.

Die Ursache der Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit ist dabei wiederum sehr unterschiedlich und kann vielfältig sein. Sie können im privaten oder beruflichen Umfeld liegen, ausgelöst werden durch körperliche Empfindungen und Krankheit, werden beeinflusst durch sozialen bzw. materiellen Status, durch religiöse Aspekte oder Persönlichkeitsentwicklung usw..

Gesunde Menschen in stabilen wirtschaftlichen Verhältnissen, beruflich erfolgreich und mit großem Freundeskreis haben von außen betrachtet bessere Voraussetzungen zufrieden zu sein als andere Menschen. Dennoch können sie unzufrieden sein, wohingegen ein Mensch mit gesundheitlichen Schwierigkeiten und finanziellen Problemen erstaunlich zufrieden sein kann.

Wie kann das sein?

Zufrieden oder unzufrieden – haben wir die Wahl?

Welchen Einfluss haben wir selbst auf unsere Zufriedenheit? Es stellt sich die Frage, ob wir es in der Hand haben, wie wir uns fühlen – zufrieden oder unzufrieden.

Äußere Faktoren, wie oben beschrieben können uns belasten und unsere Lebensqualität einschränken, das ist sicher unstrittig. Dennoch haben wir Einfluss darauf, wie wir diesen Belastungen bewerten und wie wir damit umgehen.

Die von mir sehr geschätzte Mutter einer Freundin war im höheren Alter sehr krank geworden. Unzufriedenheit wäre da verständlich. Aber diese Frau war überzeugt, sie habe in ihrem Leben schon so viel erlebt und überlebt, dass sie das jetzt ja wohl auch schaffen könne!

Sie zeigte damit eine große Fähigkeit zur Anpassung und Resilienz (= innere Widerstandskraft; Fähigkeit auch in schwierigen Situationen, die eigenen Ressourcen zu mobilisieren – siehe auch mein Blogbeitrag zur Resilienz).

Auch wenn wir nicht die Kontrolle haben über äußere Umstände, so ist es doch unsere Verantwortung, wie wir darauf reagieren. Wir entscheiden, wie wir uns mit den Gegebenheiten fühlen und ob wir die Herausforderung angehen wollen.

Unsere Denkmuster und Überzeugungen beeinflussen, wie wir die Welt wahrnehmen und Situationen bewerten. Schauen wir auf das, was fehlt und nicht gut läuft oder schauen wir auf das, was uns zufrieden macht und das Leben erleichtert.

Hauptsache zufrieden?

Damit wir uns richtig verstehen: Nicht immer wird alles gut – vieles ist schwierig und herausfordernd. Auch Verlust, Schmerz und Trauer gehört zu unserem Leben. Jede Empfindung, die wir spüren, hat ihre Berechtigung. Es gibt kein richtig oder falsch. Mit welcher inneren Einstellung wollen wir uns den Gegebenheiten stellen? Das liegt in unserer Entscheidung.

Zufriedenheit ist eine Haltung, aber eben auch ein Gemütszustand oder eine Stimmung. Ich glaube kaum, dass jemand immer nur zufrieden ist.

Ich bin überzeugt: Manchmal kann, darf und muss man unzufrieden sein. Werde ich ungerecht behandelt, gemobbt oder mir oder anderen Menschen auf irgendeine Art geschadet, dann darf oder sollte ich sehr wohl unzufrieden sein. Fühle ich mich unwohl auf meiner Arbeitsstelle, meine Familie nervt, mein Hobby macht mir keinen Spaß mehr: das macht mich unzufrieden.

Es macht einen Unterschied, wie ich diese Angelegenheit regle. Ich muss nicht in dieser Unzufriedenheit verharren, ich kann etwas verändern. Das Ziel ist die Zufriedenheit. Denn dann habe ich inneren Frieden, der sich immer wieder einmal in seiner Art verändert  und den ich für mich gerne immer wieder aufs Neue finden möchte.

Schafft Unzufriedenheit Entwicklung und sind zufriedene Menschen bequem und antriebslos?

Diese These der Überschrift klingt vielleicht etwas provokant.

Menschen sind in der Regel gerne glücklich und zufrieden – wie man so schön sagt. Wir gehen demnach davon aus, unzufriedene Menschen möchten gerne zufrieden sein. Daher ändern sie ihr Verhalten oder nehmen Einfluss auf ihre Lebensumstände – was auch immer gerade ansteht – und versuchen so Glück und Zufriedenheit zu erlangen. Sie übernehmen Verantwortung und werden aktiv.

Einschränkend muss aber auch gesagt werden, dass nicht alle unzufriedenen Menschen ihr Schicksal in die Hand nehmen und Veränderung anstreben. Häufig verharren Unzufriedene auch in ihrer Lage, anders ausgedrückt in ihrer (vermeintlichen) Komfortzone; zum einen, weil sie nicht wissen, wie Veränderung gelingen könnte, weil sie zu wenig Mut haben, aber auch, weil der Status des Opfers vermeintliche Vorteile bringt wie Beachtung und Mitleid der Umgebung.

Unzufriedenheit kann also Veränderung und Entwicklung fördern. Sind folglich zufriedene Menschen phlegmatisch und untätig? Dieser Umkehrschluss wäre mir zu einfach.

Manchmal ist man zufrieden mit dem Leben und genießt diese Zeit einfach. Nicht zu verwechseln ist dies mit der sogenannten Komfortzone, die ist nämlich entgegen ihrem Namen nicht immer komfortabel und schafft auch nicht per se Zufriedenheit (siehe dazu mehr in meinem Betrag zur Komfortzone).

Zufriedene Menschen haben oft Energie, Mut und Selbstbewusstsein und sind daher offen für Aktion und Entwicklung. Die Motivation kommt aus dem Inneren. Zufriedene Menschen „wissen“ (sei es bewusst oder unbewusst), Glück und Zufriedenheit sind nicht (nur) von äußeren Gegebenheiten abhängig, sondern sie selbst die Quelle dafür sind.

Auf die Frage in der Überschrift gibt es vermutlich keine allgemeingültige Antwort, hängt doch vieles von der betroffenen Person ab.

Wie wirkt die eigene Zufriedenheit auf die Umgebung?

Mit wem verbringen Sie lieber Ihre Zeit: mit einem Jammerer und notorischen Nörgler oder mit einem Menschen, der Freude und Zuversicht ausstrahlt und zufrieden mit sich und der Welt ist?

Für mich fällt die Antwort leicht: im privaten Umfeld umgebe ich mich gerne mit zufriedenen Menschen, die Stimmung ist dann angenehmer und leichter. Die positive Einstellung färbt auf mich ab, was mir guttut.

Beruflich treffe ich häufig auf unzufriedene Menschen – das habe ich bewusst so gewählt. Denn nach einem Coaching oder einer Mediation sind die Menschen in der Regel zufriedener als zuvor, wenn sie Themen ihres Lebens klären konnten. Das wiederum schafft mir Zufriedenheit, da ich mein Tun als sinnvoll wahrnehme.

Die eigene Zufriedenheit kann auf vielfältige Weise auf die Menschen in der Umgebung wirken, hier einige Beispiele:

  • Zufriedene Menschen geben ihre guten Gefühle weiter durch Ausstrahlung, Worte oder ihr Tun und können andere Menschen dadurch unterstützen und inspirieren.
  • Sie sind eher bereit, soziale Kontakte zu knüpfen, da sie häufig empathischer und offener auftreten.
  • Zufriedenheit kann sich in einer gewissen Gelassenheit äußern, die Stresssituationen entschärfen kann. Auch Konfliktsituationen lassen sich dann leichter vermeiden oder schneller bereinigen.

Was schafft Zufriedenheit?

Wir haben gesehen, vieles deutet daraufhin, dass Zufriedenheit eine bewusste Entscheidung sein kann. Dann sollte es auch möglich sein, aktiv Einfluss zu nehmen auf die eigene Zufriedenheit. Veränderung braucht oft Zeit. 

An dieser Stelle einige Anregungen, wie wir die eigene Zufriedenheit bewusst steigern können:

  • Das Positive sehen: wir können die Blickrichtung/Perspektive auf das Positive und Schöne lenken, wenn wir merken, dass wir uns in einem negativen Gedankenmuster verfangen haben.
  • Loslassen, was nicht guttut: Wir dürfen loslassen, was uns unzufrieden macht.
  • Wir müssen uns nicht mit anderen vergleichen. Wir sind richtig, so wie wir sind. Wir dürfen uns durch andere motivieren und inspirieren lassen.
  • Realistische Ziele zu erreichen, macht zufrieden.
  • Grenzen setzen: Nein zu etwas sagen, was uns unzufrieden macht, kann ein „ja“ sein, für mehr Zufriedenheit (In meinem Beitrag „Mutig Grenzen setzen“ können Sie mehr dazu lesen).
  • Selbstfürsorge und Bewegung unterstützt unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden.
  • Bewusst und achtsam zu leben, dankbar zu sein gerade für die kleinen Dinge des Alltags und Übungen zur Stressbewältigung können uns zu mehr Zufriedenheit verhelfen.
  • Veränderung annehmen und bewusst und eigenverantwortlich gestalten.

Fazit

Zufriedenheit hängt von unserer individuellen Wahrnehmung ab und ist eine bewusste Entscheidung, je nachdem, wie wir unsere Situation bewerten; auch in herausfordernden Situationen haben wir die Wahl.

Nur leider ist uns das oft nicht bewusst, dann brauchen wir Zeit, um eine Veränderung anzugehen, um Zufriedenheit und möglicherweise auch Momente des Glücks zu erreichen.

Um auf das eingangs erzählte Beispiel zurückzukommen. Ich war zufrieden mit dem Essen, den Gesprächen, dem ganzen Abend. Für mehr brauchte ich keinen Espresso – und doch habe ich ihn sehr genossen und konnte wohlig und gut gelaunt den Abend ausklingen lassen.

Zufriedenheit bedeutet für mich nicht Stillstand oder nichts mehr (verändern) zu wollen. Es bedeutet im Frieden zu sein mit der Situation, Handlungsspielraum auszunutzen, andere daran teilhaben zu lassen und offen zu bleiben für Neues.

Was denken Sie, haben Sie die Wahl zwischen Zufriedenheit und Unzufriedenheit? Wann fühlen Sie sich zufrieden? Schreiben Sie mir gerne.

Sie möchten gerne mehr von mir lesen? Schauen Sie auch auf meinem Blog vorbei und tragen Sie sich für weitere Inspirationen in meinen Newsletter ein.

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Ulla Sieburg-Gräff

*Coachin für alle, die ihre Kommunikation erneuern und ihre Streitigkeiten beenden möchten sowie für Menschen mit schwierigen Entscheidungen.
*Mediatorin für alle, die ihre Konflikte lösen möchten.

2 Gedanken zu „Unzufrieden oder zufrieden – haben wir die Wahl?“

  1. Liebe Ulla,

    Danke für diese inspirierenden Gedanken. Sehr gut gefallen hat mir der Einstieg: Ich darf zufrieden sein UND einen Espresso bestellen. Genau wie ich auch zufrieden sein darf und mich trotzdem aus der Komfortzone herausbewege, weil ich WEISS, dass mir das gut tut.

    Herzliche Grüße, Korina

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