Manchmal stehen wir im Leben vor Gesprächen, die uns Unbehagen bereiten. Ich meine diese Situationen, in denen wir schwierige, oft unangenehme Themen ansprechen wollen oder müssen – sei es zum Beispiel die Körperhygiene eines Kollegen, die übertriebene Vorsicht einer Freundin, passiv-aggressives Verhalten eines Vereinskollegen oder die zunehmende Vergesslichkeit eines geliebten Menschen.
Solche Gespräche fühlen sich oft wie eine Gratwanderung an: Wir wollen ehrlich sein und unser Anliegen zur Sprache bringen ohne zu verletzen. Aber wie gelingt das?
Mit der richtigen Kommunikationstechnik können wir herausfordernde Themen so ansprechen, dass sie nicht nur gehört, sondern auch verstanden werden – und das, ohne Beziehungen zu belasten. Mit Empathie, Wertschätzung und einer klaren Sprache können wir es wagen, sensible Themen taktvoll anzusprechen.
Inhalt
1. Warum fällt es uns manchmal schwer, unangenehme oder sensible Themen anzusprechen?
Sensible Gesprächsthemen sind eine Herausforderung, weil wir uns der Möglichkeit bewusst sind, dass unser Gegenüber sich angegriffen oder verletzt fühlt. Das erscheint uns oft zu heikel, denn wir wollen niemanden verletzen.
Wir haben Angst, falsch verstanden zu werden, übergriffig zu sein oder einfach einen Streit zu provozieren.
Blöd ist nur, dass das Aussitzen oder Totschweigen eines Anliegens oder Problems dieses nicht lösen wird. Stattdessen führt solches Verhalten eher zu Frustration, Missverständnissen und möglicherweise sogar zu (emotionaler) Distanz.
Unsere wertschätzende und taktvolle Ansprache hat das Ziel, die eigene Wahrnehmung und Ansicht auszusprechen und gleichzeitig die Gefühle des Gegenübers zu achten. Wir möchten unser Anliegen so formulieren, dass wir Verständnis ausdrücken und in unserer positiven Absicht verstanden werden, ohne zu verletzen.
2. Die eigene Haltung bei sensiblen Themen: Authentizität, Offenheit, Ehrlichkeit und mehr
* Authentisch zu sein bedeutet, klar und offen für den eigenen Standpunkt einzustehen unabhängig von der Reaktion der anderen. Dabei kommt es darauf an, wie wir unsere Meinung vertreten. Dies sollte stets wertschätzend geschehen.
Es bedeutet auch, dass das, was wir sagen auch zu unserem Auftreten passt oder zu unserer sonstigen Einstellung. Wir sollten uns also ebenso daran halten, was wir ansprechen. Zum Beispiel erscheint es unglaubwürdig, wenn wir die Verspätung einer Freundin bemängeln, halten selbst aber auch selten Termine ein.
* Offenheit: Die eigene Haltung sollte nicht nur darin bestehen, die eigenen Ansichten zu vertreten, sondern auch offen für die Perspektive des Gegenübers zu sein. Wir signalisieren die Bereitschaft zuzuhören und die Gefühle und Ansichten der anderen Person zu respektieren.
Wir gehen bestenfalls mit der Haltung ins Gespräch, dass wir auch etwas lernen können. Wir sollten gleichzeitig bereit, unsere eigenen Annahmen in Frage zu stellen.
* Ehrlichkeit ist das Fundament einer gesunden Beziehung. Wenn wichtige Dinge unausgesprochen bleiben, sind Missverständnisse, Unbehagen und Spannung sehr wahrscheinlich.
Ehrlichkeit und taktvolle Kommunikation passen durchaus zusammen. Denn wir können unser Anliegen ehrlich und gleichzeitig empathisch und wertschätzend formuieren.
* Perspektivwechsel: Bevor wir das Gespräch zu einem sensiblen Thema starten, können wir uns in die Lage der anderen Person versetzen. Wir können überlegen, wie sie auf das Thema reagieren könnte und wieso es unangenehm für sie sein könnten, wenn das eigene Verhalten kritisiert wird. Wir fühlen uns ein, in die Herausforderung der Person.
Wir können uns bewusst machen, wie wir in einer solchen Situation angesprochen werden möchten, auf Augenhöhe und ohne Schuld- oder Schamgefühle hervorzurufen.
3. Kommunikationstechniken für taktvolle Gespräche mit sensiblen Themen
3.1. Ich-Botschaften
Ich-Botschaften stellen die eigenen Gefühle, Gedanken und Wahrnehmungen in dem Vordergrund, ohne die andere Person zu kritisieren, zu beurteilen oder zu beschuldigen. Außerdem übernehmen wir die Verantwortung für unsere Gedanken und Gefühle. Es geht schließlich auch hier um unsere Interessen und unser Wohlbefinden.
Ich-Botschaften sind eine der grundlegendsten Techniken in der wertschätzenden und taktvollen Kommunikation, da sie klare und respektvolle Dialoge fördern. Sie laden unser Gegenüber ein, sich ebenfalls vertrauensvoll zu öffnen.
3.2. Aktives Zuhören
Aktives Zuhören bedeutet, dem Gesprächspartner bzw. der Gesprächspartnerin aufmerksam zuzuhören, ohne zu Unterbrechen oder die Aussage zu bewerten. Wir zeigen damit, dass wir nicht nur unsere Perspektive „anbringen“ wollen, sondern bereit sind, achtsam hinzuhören und zu versuchen, zu verstehen.
Wir fassen das Gehörte zusammen und vergewissern uns, dass wir richtig verstanden haben. Wir stellen auf taktvolle Weise Verständnisfragen, wenn nötig und zeigen Interesse an den Aussagen der anderen Person.
Mit nonverbalen Signalen (Körpersprache wie Nicken, Augenkontakt) bestärken wir, dass unsere Aufmerksamkeit beim Gegenüber liegt
3.3. Klarheit
Wir sollten in jedem Fall klare, präzise Aussagen treffen. Wenn wir „herumeiern“, drumherum reden und unklare Worte benutzen, kann das erneut zu Missverständnissen führen und das Problem gar verschärfen. Möglicherweise bleibt ansonsten nur ein ungutes Gefühl, die Person, weiß aber gar nicht worum es wirklich geht.
3.4. Timing und Kontext
Wann und wo wir das sensible Thema ansprechen, sind entscheidende Faktoren für den Erfolg des Gesprächs. Wir sollten dafür bewusst einen ruhigen Moment wählen und stressige oder spannungsgeladene Situationen meiden.
Wir können vor Beginn des Gesprächs am besten fragen, ob jetzt ein guter Zeitpunkt ist, für ein Gespräch. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Person gar nicht weiß, welches Anliegen uns beschäftigt.
Gespräche über sensible Themen sollten wir nicht in der Öffentlichkeit oder vor Gruppen führen. Wir wählen dazu besser einen neutralen und ruhigen Ort, wo wir mit der Person allein sprechen können.
3.5. Lösungsorientiert sprechen
Wir sollten uns bei unserem Gespräch nicht in dem Problem, der Kritik oder der Vergangenheit verlieren. Das schafft eher Frust als Vertrauen. Passender ist es, Unterstützung oder die gemeinsame Suche nach einer Lösung anzubieten.
Wir können Alternativen als Option vorschlagen; die richtige Lösung sollte für alle Beteiligten und vor allem zu dem/der Angesprochenen passen. Wir signalisieren, dass wir optimistisch sind, dass es eine Lösung für das sensible Thema geben wird und das wir bereit sind, eine Lösung zu unterstützen
3.6. Gespräch auf Augenhöhe
Wir betonen unsere positive Absicht, dabei kann auch unsere eigene Unsicherheit bezüglich des Themas deutlich werden. Wir fühlen uns vielleicht selbst unwohl damit oder finden das Thema peinlich; das können wir verbalisieren, in dem wir z. B. starten mit: „Es fällt mir nicht leicht das Thema anzusprechen…“
Wenn wir wertschätzend und empathisch sprechen, schaffen wir eine Atmosphäre des Vertrauens, in der es der Person leichter fällt, sich zu öffnen.
Hilfreich ist es auch, sich am Ende des Gesprächs zu bedanken, für das offen geführte Gespräch; für das Vertrauen; die Bereitschaft zuzuhören; die Bereitschaft, das Thema zu besprechen; die Geduld; die Bereitschaft, eine Lösung zu finden.
Sollte keine Bereitschaft zum Dialog erkennbar sein, nehmen wir das Gesagte nicht zurück und wir lassen uns nicht beirren. Wir verabschieden uns freundlich und geben unserem Gegenüber Zeit, über das Gesagte und Geschehene nachzudenken. Oft ist Abwehr eine Reaktion, die eigentlich Unsicherheit und Angst symbolisiert. Wir sollten zu einem späteren Zeitpunkt einen erneuten Versuch starten.
4. Praktische Beispiele wie wir sensible oder unangenehme Themen ansprechen können
Grundsätzlich können wir ein Gespräch starten mit „Ich möchte gerne mit Ihnen sprechen, haben Sie gerade Zeit?“ oder „Hast Du morgen Abend Zeit, ich möchte gerne mit Dir sprechen“.
Wir schildern unsere Beobachtung bzw. unsere Wahrnehmung. Wir können dabei auch auf unsere Gefühle eingehen („ich sorge mich“, „Es fällt mir nicht leicht darüber zu sprechen“) oder die Auswirkungen auf uns („es beeinflusst unsere Arbeitsumgebung“). Darauf hin nennen wir einen Lösungsvorschlag, Fragen empathisch nach oder bieten allgemein unsere Unterstützung an.
# Beispiel 1: übertriebene Ängstlichkeit einer befreundeten Mutter
Linas Freundin reagiert, in Linas Wahrnehmung, auf jede Kleinigkeit in Bezug auf ihr Kind mit großer Sorge und Panik. Lina findet das übertrieben, sie sorgt sich um die Entwicklung des Kindes und findet das Zusammensein mit ihrer Freundin zum Beispiel auf dem Spielplatz zunehmend anstrengend.
Bevor Lina das Gespräch mit ihrer Freundin beginnt, versucht sie zu verstehen, woher diese Ängstlichkeit kommen könnte. Sie möchte das Gespräch ehrlich, wertschätzend und behutsam, aber auf jeden Fall klar führen, da sie durch das Verhalten der Mutter Nachteile für das Kind sieht.
Vorschlag: Ich merke, dass du dir oft große Sorge um dein Kind machst. Das zeigt mir, dass dir das Wohlergehen deines Kindes sehr wichtig ist. Gibt es etwas, das dich gerade besonders beunruhigt? Bitte sag mir, ob und wie ich dich unterstützen kann.
Wir schildern empathisch unsere Wahrnehmung und bieten sowohl ein (vertrauliches) Gespräch, als auch Hilfe an.
# Beispiel 2: Körpergeruch eines Kollegen
Tim bemerkt, dass ein Kollege regelmäßig unangenehm riecht, was auch anderen schon aufgefallen ist. Dies beeinflusst die Arbeitsatmosphäre und die Konzentration im Büro. Es besteht die Gefahr, dass der Kollege sich bei einer direkten Ansprache angegriffen fühlen könnte, da dieses Thema häufig schambehaftet ist.
Vorschlag für einen Gesprächsstart: „Mir ist aufgefallen, dass es im Büro einen mir unangenehmen Geruch gibt. Ich weiß, das kann verschiedene Ursachen haben. Ich wollte es einfach mal ansprechen, weil ich denke, es beeinflusst unsere Arbeitsumgebung. Vielleicht gibt es etwas, was wir (gemeinsam) tun können, um die Situation zu verbessern.“
Wir schildern mit Ich-Botschaften unsere Wahrnehmung, formulieren ohne Anklage oder Schuld, sondern mit dem Wissen, dass es Ursachen geben könnte, die wir nicht (er-)kennen können. Wir richten den Blick auf eine Lösung. Wir lassen Raum für eine Reaktion.
# Beispiel 3: Vergesslichkeit der Oma
Bert fällt auf, dass seine Oma zwar topfit ist, aber häufig Sachen vergisst und in manchen Dingen verwirrt erscheint. „Oma, ich habe bemerkt, dass du in letzter Zeit häufiger mal etwas vergisst, z.B. deinen Zahnarzttermin, oder beim Einkaufen vergisst du oft wichtige Dinge. Das ist nicht schlimm, aber vielleicht kann ich dich unterstützen? Wie wäre es, wenn wir einmal gemeinsam in deinen Kalender gucken und über die nächsten Termine sprechen? Ich könnte mit dir auch eine Liste mit den wichtigsten Dingen für deine Einkäufe anlegen, die du immer nutzen kannst – wie fändest du das?“
Wir sprechen hier von unserer Wahrnehmung und bleiben empathisch, ohne die andere Person zu beschämen oder zu belehren. Wir machen konkrete Vorschläge, die angesprochene Person aber entscheidet, was umgesetzt wird.
5. Fazit
Taktvolle Kommunikation bei sensiblen Themen ist eine Herausforderung, die mit den richtigen Ansätzen jedoch gelingen kann. Durch den Einsatz von Empathie, Klarheit und respektvollen Ich-Botschaften lassen sich unangenehme Gespräche konstruktiv führen, ohne dabei die Gefühle des Gegenübers zu verletzen.
Aktives Zuhören, Authentizität und eine lösungsorientierte Haltung schaffen die Basis für eine offene, vertrauensvolle Kommunikation auf Augenhöhe. So können wir schwierige Themen ansprechen und gleichzeitig wertvolle Beziehungen schützen und stärken.
Was sind Ihre heiklen Themen, die Sie gerne einmal ansprechen möchten, aber nicht wissen wie? Schreiben Sie mir gerne und wir schauen gemeinsam, ob wir eine gute Lösung finden.
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